Mit komplementärer Krebstherapie die Standardtherapie unterstützen: Klappt das?

Naturheilkunde, Traditionelle Chinesische Medizin, Ayurveda, Nahrungsergänzungsmittel: Die komplementäre Medizin wirbt mit zahlreichen Angeboten. Aus dem Wunsch heraus, aktiv zur eigenen Gesundheit beizutragen, entscheiden sich fast 50 Prozent aller Krebspatienten in Deutschland dafür.1  Doch ist die Komplementärmedizin wirksam bei Krebs? Inwiefern unterscheidet sie sich von der alternativen Medizin und was gilt es bei der Wahl eines Komplementärverfahrens zu beachten? Lesen Sie hier mehr dazu!

Flüssigkeit wird von einer Frau in den Mörser gegeben

Komplementäre Krebstherapie: Was ist das eigentlich?

Die Komplementärmedizin umfasst alle Methoden, die zusätzlich und begleitend zur herkömmlichen Krebstherapie angewandt werden.1 Üblicherweise besteht eine Krebstherapie aus den drei Hauptsäulen: Operation, Bestrahlung und medikamentöse Tumortherapie, zu der u.a. auch die Chemotherapie oder die antihormonelle Therapie zählen.2 Diese Behandlungsverfahren haben sich in der Krebstherapie etabliert und berufen sich auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse aus kontrollierten klinischen Studien mit ausreichender Evidenz zu Nutzen und Nebenwirkungen. Experten fassen solche Daten in Leitlinien für die Krebsbehandlung zusammen, an denen sich Mediziner orientieren können.3

Die Komplementärmedizin hat zum Ziel, den Erfolg dieser herkömmlichen „schulmedizinischen“ Behandlung zu unterstützen und das körpereigene Immunsystem zu stärken. Mit einer gestärkten Immunabwehr kann es gelingen, unerwünschte Nebenwirkungen der Krebstherapie zu lindern und dadurch letztendlich deren Wirksamkeit zu steigern. Der Begriff der supportiven Therapie hat sich daher auch durchgesetzt.1

Inwiefern unterscheidet sich die Komplementärmedizin von der Alternativmedizin?

Die Gesetze der Naturwissenschaften bilden die Grundlage für die Schulmedizin. Die Komplementärmedizin steht mit diesen im Einklang. Dagegen wendet sich die Alternativmedizin oft von den allgemein bekannten physikalischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten ab.1 Sie wird also nicht unterstützend bzw. ergänzend zu herkömmlichen Therapien angeboten, wie es bei der komplementären Krebstherapie der Fall ist, sondern stellt eben eine Alternative zu diesen dar.3 Beispiele hierfür umfassen u.a. Behandlungsmethoden wie Naturheilverfahren, Homöopathie oder Osteopathie.

Komplementäre Krebstherapie: Studienlage schwach

Für die meisten Verfahren der Komplementärmedizin – aber auch der Alternativmedizin – gibt es nicht genügend Nachweise, die wissenschaftlichen Standards entsprechen. Die Wirkung und Sicherheit in Bezug auf die Krebserkrankung sind somit kaum belegt. Sollten Sie eine solche Methode in Betracht ziehen, ist es daher umso wichtiger, dass Sie dies immer nur ergänzend zu Ihrer Krebstherapie tun. Denn wie bereits oben beschrieben, richten sich die herkömmlichen Krebstherapien nach Maßstäben der nachweisbasierten Medizin.1 Um Ihre Krebstherapie bestmöglich unterstützen zu können, ziehen Sie bei Erwägung begleitender Methoden auch immer ihren behandelnden Arzt zu Rate. Er bzw. sie kennt ihre Krankheitsgeschichte, die Art Ihrer Krebserkrankung sowie die gewählte Therapie und kann somit mögliche Wechselwirkungen von Anfang an bestmöglich vermeiden.

Komplementäre Krebstherapie: Welche Verfahren gibt es?

Trotz mangelnder Beweise hinsichtlich des Nutzens und der Nebenwirkungen ziehen viele Krebspatienten Hoffnung aus der komplementären Krebstherapie. Sie genießen das Gefühl, der Krankheit nicht mehr nur passiv ausgesetzt zu sein.2 Durch den Fokus auf gesundheitsfördernde Maßnahmen steht nicht mehr nur die Krankheit im Mittelpunkt. Davon können Motivation und die eigene Kraft profitieren.

Häufig angewendet im Rahmen der komplementären Krebstherapie werden z.B. Mistelpräparate, Vitamine und Spurenelemente.1 Aber auch die moderne Psychoonkologie fällt beispielsweise darunter, da sie ebenfalls das Ziel hat, die Krebstherapie bestmöglich zu unterstützen, Nebenwirkungen zu lindern und die Teilnahme am Leben mit, trotz und nach der Krebserkrankung so gut wie möglich zu gestalten.2

Nachfolgend stellen wir Ihnen fünf Verfahren der komplementären Krebstherapie genauer vor. 

  • Traditionelle Chinesische Medizin (TCM): Die TCM wird seit über 3000 Jahren angewandt und umfasst die Bereiche Heilpflanzentherapie, Akupunktur, Ernährungstherapie sowie die Bewegungs- und Konzentrationstechniken TaiChi/QiGong.4 TCM basiert auf dem Prinzip vom Yin und Yang, zwei entgegengesetzten, aber sich ergänzenden Kräften. Diese liegen im Fall von Krebs als ein Ungleichgewicht vor, in dem Yin schwer geschädigt ist.5 Um die gesunden Kräfte zu stärken und wieder in Balance zu geraten,1 werden mittels Puls- und Zungendiagnostik die Symptome erhoben und entsprechende Therapien abgeleitet. Bei Krebs kommen oft Ernährungsempfehlungen kombiniert mit einer Heilpflanzentherapie und Akupunkturbehandlungen zum Einsatz. Die Methoden können für Betroffene eine hilfreiche Ergänzung zur Standardtherapie darstellen.Bei der Heilkräutertherapie besteht jedoch eine Neben- und Wechselwirkungsgefahr, da die Rezepturen meist aus mehreren Pflanzen bestehen.4 Praktizierende Ärzte und Therapeuten sollten nicht zuletzt deshalb eine von Fachgesellschaften anerkannte Ausbildung vorweisen können. Um die Wirkung Ihrer konventionellen Medikamente nicht abzuschwächen oder zu verstärken, konsultieren Sie jedoch von Anfang an Ihren Onkologen.2
  • Akupunktur: Zentraler Bestandteil der TCM ist die Akupunktur. Dabei handelt es sich um ein Jahrtausende altes Heilverfahren, bei dem über den Einstich feiner Nadeln an bestimmten Körperstellen der Fluss der Lebensenergie (Qi) reguliert werden soll. Die Reizung hat zum Ziel, Beschwerden zu lindern, die Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen und so zur seelischen und körperlichen Gesundheit beizutragen.Während Akupunkturbehandlungen bei Rücken- und Knieschmerzen bereits von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, ist diese Methode noch keine allgemeingültige Therapie bei Krebs. Forscher fanden jedoch heraus, dass Akupunktur womöglich starkes Erbrechen und Übelkeit während einer Chemotherapie reduzieren kann. Ein positiver Einfluss auf Schmerzen oder Fatigue konnte hingegen nicht festgestellt werden.7 Insgesamt weist die Akupunktur bei Krebs geringe Nebenwirkungen auf, so dass ein Behandlungsversuch als hilfreiche Ergänzung durchaus vertretbar ist – sofern Ihr behandelnder Arzt keine Einwände hat.4 Wichtig ist jedoch auch hier, dass der Therapeut eine fundierte Ausbildung nachweisen kann.
  • Physiotherapie: Die Folgen einer Krebstherapie sind sehr individuell und können Haut- und Muskelveränderungen, Verspannungen, Nervenstörungen, Lymphödeme, Muskelschwäche, Fatigue oder Konzentrationsprobleme umfassen. Da diese emotional stark belastend sein können, ist eine gezielte Behandlung empfehlenswert. Genau das ist das Ziel der Physiotherapie bei Krebs.8 Durch direkte Einwirkungen auf den Körper soll die Bewegungs- und Funktionsfähigkeit des Patienten wieder hergestellt, verbessert oder erhalten werden.2 Gezieltes Training kann die Belastbarkeit und Gelenkigkeit erhalten, Verspannungen reduzieren und die Narbenheilung unterstützen.7 Bei der Lymphdrainage – häufig angewandt bei Brustkrebs – wenden Physiotherapeuten gezielte Griffe an, damit sich Flüssigkeit im Unterhautgewebe nicht staut. Ödemen und Schwellungen kann so vorgebeugt werden. Zur Physiotherapie zählt aber auch eine Hals-Nacken-Massage, um Spannungskopfschmerzen zu reduzieren.2 Ebenso können Atem- und Entspannungsübungen zur Schmerzlinderung von ausgebildeten Physiotherapeuten vermittelt werden.7
  • Ayurveda: Ayurveda bedeutet die Wissenschaft vom langen Leben. Es geht um einen gesunden Lebensstil, in dem Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden. Vata, Pitta und Kapha sind die drei sogenannten Energieprinzipien (Doshas), die die Basis des Ayurveda bilden und körperliche und geistige Merkmale prägen. Die ayurvedische Medizin betrachtet Krebs als einen Zustand, in dem das individuelle Gleichgewicht gestört ist, was sich negativ auf Verdauungskapazität, Stoffwechsel und Immunsystem auswirkt. Ayurvedische Therapien zielen darauf ab, den Körper ganzheitlich zu reinigen und Körper, Geist und Seele in einen harmonischen Einklang zu bringen.5 Nach chirurgischen Eingriffen, Chemo- oder Strahlentherapie können Ölmassagen oder Ölgüsse das Körpergefühl verbessern, Sandelholzpasten oder mediziniertes Ghee können gereizte Hautstellen kühlen. Klinische Untersuchungen lassen zudem darauf hindeuten, dass ayurvedische Arzneien wie Ingwer Übelkeit als Folge einer Chemotherapie reduzieren kann.9 Von Einläufen und Brechmittel oder der sogenannten Panchakarma-Reinigungskur sollten Patienten, die durch die Krebstherapie geschwächt sind, jedoch absehen.10 Achten Sie aber in jedem Fall auf die Qualität der Produkte bei der ayurvedischen Pflanzenheilkunde, um Verunreinigungen mit Schwermetallen und Pflanzenschutzmitteln ausschließen zu können.2
  • Psychologische Hilfe: Der seelische Aspekt spielt bei einer Krebserkrankung eine große Rolle. Eine Krebsdiagose braucht Zeit, um verarbeitet werden zu können. Ängste und Befürchtungen können auch noch nach Therapieabschluss auftreten und den Alltag bestimmen. Ein Psychoonkologe kann helfen, damit umgehen zu können und persönliche Wünsche und Bedürfnisse in den Vordergrund zu rücken. Psychoonkologen sind z.B. Ärzte, Psychologen, Sozialpädagogen, aber auch qualifizierte Musik-, Kunst- und Körpertherapeuten.2 Sie sollten eine spezielle Qualifi-kation im Bereich der Psychoonkologie (Psyche und Krebs) haben.5 Auch die Psychoonkologie will die Lebensqualität von Patienten mit, trotz und nach Krebs erhalten.2 Daher wird sie ebenfalls zu den komplementären Behandlungsverfahren gezählt. Auch wenn keine Psychotherapie den Krebs heilen kann, kann sie entscheidend für die Krankheitsverarbeitung sein und damit zu einer gesteigerten Lebensqualität beitragen.5

Welche Leistungen der Komplementärmedizin bezahlt die Kasse?

Bezahlt wird üblicherweise nur, was als Untersuchungs- oder Therapieverfahren eine Wirksamkeitsprüfung durchlaufen hat. Für viele Verfahren der komplementären Krebstherapien fehlt jedoch der Wirksamkeitsnachweis durch vorklinische und klinische Studien. In den ärztlichen Leitlinien sind komplementäre Krebstherapien daher kaum zu finden bzw. werden dort als „nicht empfehlenswert“ bewertet. Daher ist davon auszugehen, dass gesetzliche Krankenkassen, aber auch private Krankenversicherungen, nicht zahlen. Generell gilt: Rezeptfreie Mittel müssen als medizinisch notwendig eingestuft werden, um diese bezahlt zu bekommen. Da Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel angesehen werden, werden die Kosten hierfür nicht übernommen. Zudem wird überprüft, ob der Anbieter ein Arzt ist, eine Kassenzulassung hat oder ob er in einer Privatklinik oder einem öffentlichen Krankenhaus tätig ist. Ob die Kosten der Anwendung also erstattet werden, ist meist unklar.11

Beurteilung von komplementärmedizinischen Angeboten: Kritische Fragen

Falls Sie zusätzlich zu Ihrer Standardtherapie an einer komplementären Methode interessiert sind, sollten Sie sich für die Auswahl Zeit nehmen und in die Beurteilung Ihren Arzt einbinden. Stellen Sie sich folgende Fragen3, um Ihre Erwartungen klar formulieren, aber auch um sinnvolle und nutzlose Behandlungen voneinander unterscheiden zu können.

  • Sind Sie auf der Suche nach einer ergänzenden Therapie, weil Sie sich nicht ausreichend gut versorgt fühlen?
  • Leiden Sie unter Spätfolgen oder Nebenwirkungen der Krebstherapie und erwarten eine Linderung durch die komplementäre Medizin?
  • Wie sind Sie auf den Anbieter der komplementären Krebstherapie aufmerksam geworden? Welche Zulassung besitzt er oder sie? Kann er/sie Qualifikationen nachweisen?
  • Wie hoch sind die Kosten? Wer übernimmt die Kosten? Verlangt der Anbieter womöglich Vorkasse oder Bargeld?
  • Was behauptet der Anbieter über seine Methode? Liegen dafür Beweise vor? Wird diese Methode schon lange praktiziert? Wird von einem Heilungsverfahren für alle Krebsarten in allen Krankheitsstadien gesprochen?
  • Birgt die komplementäre Methode Risiken? Wird auch von Nebenwirkungen gesprochen? Wie wahrscheinlich sind unerwünschte Folgen? Wie sieht es mit Wechselwirkungen mit Ihrer bisherigen Therapie aus? Wird ein Mittel aus dem Ausland benötigt, bei dem die Qualität kaum überprüfbar ist?

Es gilt, diese Fragen in einem gemeinsamen Gespräch mit Ihrem Arzt zu klären und seine Einschätzung dazu einzuholen. Scheuen Sie sich nicht, Ihre Wünsche, aber auch Ängste und Bedenken anzusprechen.

  1. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/therapieformen/komplementaere-medizin-moeglichkeiten-und-grenzen.html, zuletzt abgerufen am 20.04.21.
  2. Bayerische Krebsgesellschaft e. V. Komplementärmedizin. Informationen über anerkannte Methoden, um aktiv etwas für sich selbst zu tun, den Körper auf natürlichem Weg zu stärken und Beschwerden zu lindern. München. Stand: April 2019.
  3. https://www.krebsinformationsdienst.de/behandlung/unkonv-methoden/index.php, zuletzt abgerufen am 21.04.21.
  4. TCM (Traditionelle Chinesische Medizin): Wirkung bei Krebs (staerkergegenkrebs.de), zuletzt abgerufen am 26.04.21.
  5. Henß, H.; Reinert, E. (2015). Komplementäre Verfahren. Krebsverband Baden-Württemberg e. V., Stuttgart.
  6. https://www.akupunktur.de/patienten/akupunktur-methoden/klassische-akupunktur.html, zuletzt abgerufen am 26.04.21.
  7. https://www.krebsinformationsdienst.de/aktuelles/2013/news12.php, zuletzt abgerufen am 26.04.21.
  8. https://www.staerkergegenkrebs.de/osteopathie-physiotherapie/physiotherapie-bei-krebs/, zuletzt abgerufen am 26.04.21.
  9. https://www.sein.de/ayurvedische-behandlungsmoeglichkeiten-bei-krebs/, zuletzt abgerufen am 26.04.21.
  10. https://www.ayurveda-journal.de/krebs-ayurvedisch-behandeln/, zuletzt abgerufen am 26.04.21.
  11. Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum. Alternative und Komplementäre Krebsmedizin. Stand: 15.01.2020.

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