Aus der Tabuzone holen – Bekannte Männer mit Prostatakrebs

Viele Männer sind betroffen, doch nur die wenigsten sprechen über Prostatakrebs. Viele Patienten leiden unter den Folgen der Behandlung und müssen auch psychisch mit der Belastung umgehen. Gerade weil es sich bei Prostatakrebs um ein Tabu-Thema handelt, haben viele das Gefühl, alleine durch diese "Männlichkeitskrise" gehen zu müssen. Doch auch einige berühmte Männer litten unter der Erkrankung und teilen trotz ihre Erfahrungen, um anderen Mut zu machen, offen über die Erkrankung zu sprechen.
 

Mann sitzt auf Gleisen


Kaum eine Krebsform ist für Männer so mit Scham verbunden wie der Prostatakrebs. Obwohl viele mit der Diagnose konfrontiert werden, haben die meisten Hemmungen, über ihre veränderte Situation zu reden. Viele Männer teilen ihre Gedanken weder mit Freunden, der Familie oder dem Arzt und vor allem nicht mit ihrem Partner, um nicht schwach oder hilflos zu wirken. Die Gründe hinter dieser Denkweise sind sehr verschieden: Vielen fällt es schwer, über mögliche Behandlungsfolgen wie Impotenz oder Inkontinenz zu sprechen, manche fühlen sich im eigenen Körper unwohl und haben Angst, nicht mehr attraktiv genug für ihren Partner zu sein. Andere Betroffene wiederum fürchten, sich seelisch wie körperlich verändert zu haben und möchten die Veränderungen nur ungern ansprechen.

Mit Sorgen nicht alleine

Vielen Patienten ergeht es so wie Ihnen, denn sie möchten ungern verletzlich wirken und am liebsten nicht über die Erkrankung reden. Hierfür könnten Erfahrungen und Tipps anderer betroffener Männer helfen, die sich beispielsweise in Selbsthilfegruppen oder Online-Forenmit Gleichgesinnten austauschen. Und auch bekannte Persönlichkeiten, die oftmals weit weg von der eigenen Lebenswelt erscheinen, teilen oft Ihre alltäglichen Probleme und müssen sich ähnlichen Herausforderungen stellen. Hier finden Sie Berichte anderer Patienten, die Ihnen vielleicht helfen.
 

Ben Stiller
© By Gage Skidmore (Ian McKellen) [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

"Es braucht Zeit" – Ben Stiller

Aus zahlreichen Filmen ist der Schauspieler Ben Stiller bekannt, der mit 48 Jahren die Diagnose Prostatakrebs erhielt. "Es kam aus heiterem Himmel. Ich hatte keine Ahnung", gab der US-Schauspieler bekannt. Ihn, wie viele andere auch überraschte die Erkrankung und er informierte sich vor seinem Eingriff zunächst sehr umfangreich bei anderen Betroffenen.

Indem er den PSA-Test durchführen ließ, hatte er über die Krebserkrankung erfahren. Noch immer ist der Test umstritten, da ein hoher PSA-Wert nicht nur auf Krebs, sondern viele andere Ursachen hinweisen kann. Im Falle von Ben Stiller und vielen weiteren Patienten konnte somit aber Prostatakrebs festgestellt werden.

Mithilfe einer Operation wurde der Tumor beim heute 52-jährigen entfernt. Seit September 2014 ist Ben Stiller krebsfrei und schätzt sein Leben seither mehr als zuvor. Auch ist er dankbar dafür, dass er die Last der Erkrankung mit anderen teilen konnte. Seine Ex-Frau Christine Taylor und auch seine Kinder standen ihm in dieser Zeit stets zur Seite. Mit der Bekanntgabe seiner Erkrankung wollte er anderen helfen und sie dazu ermutigen, sich um die eigene Vorsorge zu kümmern. Denn ohne den Test wüsste er bis heute nichts vom Prostatakrebs.

Ben Stiller spricht auch die Themen an, die vielleicht sonst keinen Raum in der Öffentlichkeit finden, wie beispielsweise die Sexualität nach der Behandlung. Er machte sich noch bis zum Tag seiner Operation sorgen um den Zustand danach. Er rät Patienten, die Sorgen rund um das Thema Sexualität plagen, sich nicht zu übereilen "Es braucht Zeit, zurückzukommen." Sehr offen spricht er in diesem Interview über seine Erfahrung:

Mehr in sich hineinhören – Bernd "Fummel" Wehmeyer

Aus der Sportwelt ist Bernd Wehmeyer, der 183 Mal für den HSV auf dem Feld stand, nicht mehr wegzudenken. Sportverletzungen waren für "Fummel", wie Bernd Wehmeyer auch genannt wird, keine Seltenheit. Doch als er joggte und im Bereich seines Schlüsselbeins Schmerzen spürte, ahnte er, dass es etwas Ernsteres sein müsste. Im Krankenhaus erfuhr er, dass er einen Herzinfarkt erlitten hatte, weshalb er umgehend operiert wurde. Die Ärzte erkannten aber auch, dass sein PSA-Wert deutlich erhöht war. Dadurch konnte bei ihm der Prostatakrebs im Frühstadium festgestellt werden. Monate später wurde bei ihm die empfohlene Operation durchgeführt. Für den früheren Fußballer war die Belastung beider Erkrankungen sehr groß: "Ein gnadenloser Einschlag, du spürst, da klopft er schon wieder an, der Tod. Zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten."

Auch wenn Bernd Wehmeyer stets die Angst begleitete, nahm er sich eine Auszeit und teilte seinem Verein, dem HSV, mit, dass er sein Amt als Clubmanager für eine Weile aussetzen wird. Viele Patienten befinden sich in der Situation, mit dem Alltag nicht mehr fertig zu werden, ihnen ist es jedoch unangenehm, gewisse Dinge nicht mehr so zu schaffen wie vor der Erkrankung. Auch erfolgreiche Sportler wie Bernd Wehmeyer signalisieren, dass es vollkommen in Ordnung ist, sich eine Auszeit zu nehmen und sich um die Besserung des Körpers und der seelischen Gesundheit zu sorgen.

Auch wenn sich der heutige HSV-Club-Manager bereits in seiner Spielerzeit gesund ernährte und ausreichend bewegte, achtet er verstärkt auf sich. Das fängt bei der Ernährung an, indem er bewusster isst und zu gesünderen Alternativen greift. Neben regelmäßigem Sport liegt ihm aber besonders ein Thema am Herzen: stärker auf den eigenen Körper zu hören und gleich zu handeln, egal wie unangenehm einem die Situation ist. "Das Vertrauen in meinen Körper ist noch nicht wieder zu 100 Prozent da. Ich höre viel intensiver in mich rein. Wenn es irgendwo zwickt, frage ich mich gleich: Was könnte dahinterstecken?"
 

Humor ist die beste Medizin – Wolfgang Bosbach

CDU-Politiker Wolfgang Bosbach stellte sich bisher nicht nur politischen Aufgaben, sondern musste sich in Sachen Gesundheit bereits einiger Herausforderungen annehmen. Seit 1994 leidet er an Herzinsuffizienz und trägt deshalb einen Herzschrittmacher. Von seiner Prostatakrebserkrankung erfuhr er nur zufällig, als sein Herzschrittmacher ausgetauscht werden sollte. Durch die operative Entfernung der Prostata und einer Strahlentherapie schien der Krebs zunächst besiegt.

Monate später erhielt er jedoch die Nachricht, dass der Krebs trotz Strahlentherapie gestreut hatte und laut seinen Ärzten keine Heilungschancen bestehen. Trotz dieser Aussichten setzte Wolfgang Bosbach sein politisches Engagement fort. Medikamente helfen, den Wachstum des Tumors zu verlangsamen, aber nachdem aufgrund eines Tumors 2016 ein Teil seiner Lunge entfernt werden musste, entschied er sich seine politischen Ämter niederzulegen. Heute lebt er nach dem Motto Carpe Diem – und empfiehlt dies auch jedem Gesunden: "Genieße den Tag! Versuche, aus einer schwierigen Situation das Beste zu machen. Versuche, aus Niederlagen zu lernen. Versuche, mit Enttäuschungen umzugehen."

Dass er nicht schon vorher zu einer Vorsorge gegangen ist, bereut der heute 65-jährige: "Ich habe nie eine Vorsorgeuntersuchung gemacht. Dabei wäre der Krebs höchstwahrscheinlich viel früher entdeckt worden – mit allerbesten Heilungschancen." Dennoch sieht er die guten Seiten in seinem Leben und möchte es mit mehr Humor nehmen. "Humor ist die beste Medizin. Humor ist ein Motor", erzählt der CDU-Politiker.

Für hunderttausende Männer in Deutschland und vielleicht auch Sie geht Wolfang Bosbach offen mit seiner Erkrankung um, sodass dem Prostatakrebs die Tabuisierungentnommen wird. "Ich muss mich für den Krebs in mir nicht entschuldigen, nicht rechtfertigen – die Krankheit muss mir nicht peinlich sein." In öffentlichen Talkshows redet er nicht nur über die Krebserkrankung, sondern über seine Einstellung und auch seinen persönlichen Umgang, um anderen Betroffenen Mut zu machen.

Seinen Lebensmut und seine Einstellung zum Leben trotz Prostatakrebs können Sie im Buch "Jetzt erst recht" von Anna von Bayern über Wolfgang Bosbach nachlesen. Die Autorin zeigt seinen humoristischen Umgang und seine Leidenschaft für das Leben im Buch auf.

Gemeinsam gegen die Krebserkrankung – Uli und Michael Roth

Die beiden Zwillinge Uli und Michael Roth zählten zu den besten Handballspielern Deutschlands und legten sportlich eine steile Karriere hin. In bester Verfassung nahmen sie an den Olympischen Spielen teil, bestritten Weltmeisterschaften und waren aus der Handballwelt nicht mehr wegzudenken. Dass sie trotz ihrer körperlich guten Verfassung irgendwann einmal an einer Krebserkrankung leiden, traf die Zwillingsbrüder schwer.

Seit ihrem 40. Lebensjahr gehen die Zwillinge zur Vorsorge, da sie familiär vorbelastet sind. Der Arzt stellt fest, dass der PSA-Wert, der auf einen Prostatakrebs hinweisen kann, gestiegen ist und diagnostiziert nach der Untersuchung den Krebs. Für die Brüder war die Diagnose ein Schock: "Das habe ich wie im Nebel wahrgenommen. Man wird plötzlich mit dem Thema Krebs konfrontiert", erzählt Michael.

Die Brüder gehen ganz unterschiedlich mit dem Prostatakrebs um. Michael entschleunigt seinen Alltag, kündigt sogar seinen Job als Trainer der MT Melsungen um sich auf seine Gesundheit zu konzentrieren. Uli, Manager der Musikgruppe "Pur" stürzt sich in seine Arbeit, um sich von Gedanken über Inkontinenz oder Impotenz abzulenken und nicht über seine Krankheit sprechen zu müssen. Rückblickend rät er aber Betroffenen, auf keinen Fall diesen Weg zu gehen: "Ich habe gelernt, dass dieses Zurücknehmen nicht gut ist. Wer erkrankt ist muss sich öffnen und mit Familien und Freunden reden. Das ist eine seelische Befreiung."

Bei beiden Brüdern hinterließ die Erkrankung nicht nur seelische, sondern auch körperliche Spuren. Wie viele andere Patienten auch nehmen sie sich Pausen und gehen nicht mehr so sehr ans Limit wie früher. Dazu gehört auch, dass sie verarbeiten, was sie durchgemacht haben. Ihre Erfahrungen teilen sie deshalb bewusst mit anderen, um auf die Wichtigkeit der Vorsorge aufmerksam zu machen. "Viele Männer wissen gar nicht, wie wichtig die Prostata ist. Sie machen nur blöde Witze. Deshalb lautet unser Appell an die Männer. Geht früh zur Untersuchung, denn der Tumor ist im frühen Stadium heilbar."

In ihrem Buch "Unser Leben, unsere Krankheit" erzählen die Roth Zwillinge über ihre Krankheitsgeschichte, mit der sie andere Betroffene unterstützen und Männer auf die Vorsorgemöglichkeiten aufmerksam machen wollen. Mit entwaffnender Offenheit begegnen die Brüder der Erkrankung auch in Interviews:
 

Energie trotz Prostatakrebs – Ian McKellen

Als bärtiger Gandalf aus der Filmtrilogie "Herr der Ringe" ist Schauspieler Ian McKellen den meisten geläufig. Bereits vor mehreren Jahren wurde dem heute 78-jährigen der Prostatakrebs diagnostiziert. Bei ihm hat es damit angefangen, dass er nachts viel öfter die Toilette aufsuchen musste und somit zum Arzt ging. Wie bei vielen Männern wächst bei ihm der Prostatakrebs nur sehr langsam und hat auch nicht auf andere Körperbereiche gestreut. Somit besteht für den Schauspieler die Möglichkeit, sich nicht körperlich behandeln zu lassen, sondern sich regelmäßig aktiv überwachen zu lassen. "Wenn du die Krankheit hast, musst du das überwachen und im Blick haben, dass der Krebs nicht streut." so Ian McKellen über die Wichtigkeit der regelmäßigen Termine.

Zunächst war es für ihn schwer, die Diagnose zu verkraften und er musste mit vielen verschiedenen Emotionen kämpfen. "Du musst schlucken, wenn du eine solche Nachricht hörst. Es ist, wie wenn du zu einem HIV-Test gehst – du denkst Argh, ist das das Ende?" Doch Ian McKellen ist für viele andere Betroffene ein Beispiel dafür, dass die Lebenszeit trotz der Krebserkrankung genutzt werden kann. Auch wenn die Gestaltung des Alltags für den ein oder anderen schwieriger ist, kann ein gewohnter Alltag möglich sein und die Betroffenen haben keinen Grund, sich für die Erkrankung zu schämen. Denn trotz seiner Erkrankung spielte er als Gandalf in der "Hobbit"-Trilogie und war auch in den "Herr der Ringe"-Abenteuern vertreten. Sein Leben wollte er durch die Erkrankung keineswegs einschränken.

Froh um jede Unterstützung – Ralph Siegel

Als Musiker und Musikproduzent ist Ralph Siegel die Öffentlichkeit und vor allem das Rampenlicht gewöhnt. Doch als er 2007 von seiner Krebserkrankung erfuhr, zog er sich zunächst zurück und kümmerte sich um seine Gesundheit. Nachdem er sich einer Operation unterzog und zunächst als geheilt galt, kam die Erkrankung zwei Jahre später wieder zurück. In dieser Zeit schwieg der heute 72-jährige zunächst und wollte sich wie viele andere Betroffene auch nicht zur Erkrankung äußern. Auch wenn es Ralph Siegel zunächst so ging, änderte er seine Einstellung: "Es ließ sich nicht vermeiden, dass ich von verschiedenen Menschen auf dieses Thema angesprochen wurde. Und außerdem möchte ich allen Männern – egal in welchem Alter – dringend raten, früh genug zur urologischen Untersuchung zu gehen, denn nur so haben sie eine Chance zu überleben."

Nach der Operation hatte der Musiker Selbstzweifel und wollte nicht einmal seiner Familie von der Erkrankung erzählen. Vielleicht haben auch Sie die Erfahrung gemacht, dass Sie sonst viel mit Ihren Freunden oder Ihrem Partner teilen, der Prostatakrebs für Sie aber ein zu großes Tabu ist. Auch wenn Ralph Siegel zunächst genauso gedacht hatte, gab ihm letztendlich die Unterstützung seiner Nahestehenden viel Kraft, die er nicht erhalten hätte, hätte er nicht über die Erkrankung gesprochen. Vor allem seine Ex-Ehefrau Kriemhild Siegel bot ihm zu dieser Zeit eine große Unterstützung: "Ohne ihre Liebe und Fürsorge hätte und könnte ich all das nicht durchstehen."

Hören Sie in diesem Video, was Ralph Siegel über seine Erkrankung sagt:
 

Die Herausforderungen, denen sich Patienten während der Behandlung stellen müssen, sind sehr unterschiedlich. Wie Sie damit umgehen, ist Ihnen überlassen, doch haben Sie keineswegs das Gefühl, Ihre Erkrankung verheimlichen zu müssen. Wie bei den bekannten Persönlichkeiten, die wir Ihnen gezeigt haben, hatte jeder ganz eigene Hemmungen und war letztendlich froh, offen über den Krebs und seine Folgen reden zu können.

Bildrechte:
Ben Stiller - © by Michael Schilling [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

 

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