Krebs während der Schwangerschaft

Interview mit Linda Wagner (@just_inked87)

Linda ist gerade zum zweiten Mal schwanger, als sie im fünften Monat die Diagnose Brustkrebs erhält. Noch während der Schwangerschaft muss mit einer Operation und der Chemotherapie begonnen werden. Seitdem teilt Linda auf ihrem Instagram-Kanal @just_inked87 ihre Geschichte, gibt wichtige Tipps zur Früherkennung und erzählt mehr als 33.000 Followern von ihrem Leben und dem Alltag als Mutter – mit und nach dem Krebs. In einem Interview beschreibt sie uns, wie der Krebs die Zeit der Schwangerschaft für sie beeinflusst hat und wie wertvoll der Austausch mit anderen Betroffenen sein kann.

 

Wie kam es dazu, dass du deine Krebsdiagnose und -behandlung auf deinem Instagram-Kanal publik gemacht hast? Was war die Motivation dahinter?

Vorrangig war es gar nicht meine Absicht, Menschen mit dem Thema Krebs oder meiner Diagnose zu erreichen oder darauf aufmerksam zu machen. Gerade am Anfang war es total schwierig, sich richtig auszutauschen. Ich konnte mit keinem wirklich offen sprechen. Wir hatten auch schon unseren großen Sohn, sprich, da ist die Zeit und der Raum nicht da, um über vieles zu sprechen. Da war Instagram einfach mein Ventil, wo ich meine Gefühle und Gedanken rauslassen kann. Auch damit mich das nicht so sehr im Alltag belastet, sondern ich ein bisschen leichter in das Ganze gehen kann. Auch wenn es schwer war, hat es mir doch viel Druck von der Seele und vom Herzen genommen.

Die Schwangerschaft ist an sich für viele Frauen eine aufregende Zeit, oft zwischen Freude und Sorgen oder Gedanken, die sie sich machen. Wie hat der Krebs diese Zeit für dich beeinflusst?

Ich hatte das Glück, dass ich wirklich eine Bilderbuch-Schwangerschaft ohne große Komplikationen hatte. Ich hatte keinerlei Probleme bis zum fünften Monat, in dem ich dann die Diagnose erhalten habe. Wir hatten uns wahnsinnig gefreut auf das zweite Kind. Als dann die Diagnose kam, rückte dieser Zauber der Schwangerschaft absolut in den Hintergrund. Im Fokus waren dann Arzttermine und direkt natürlich die Operation. Ich musste einfach vertrauen auf das, was die Ärzte sagen. Und wenn sie sagen, wir müssen mit der OP anfangen und die Narkose schadet meinem Kind nicht, dann konnte ich nur vertrauen. Es gab keine andere Wahl.

Ich wurde wie eine Risikoschwangere behandelt und habe vermehrt Vorsorgeuntersuchungen erhalten. Somit hatte ich auch ein gutes Gefühl, weil ich immer wieder erfahren durfte, dass alles in Ordnung ist und sich alles entwickelt, wie es sein soll. Das hat mir enorm viel Kraft gegeben, sodass ich die Schwangerschaft noch irgendwo genießen konnte, aber trotz allem war sie nicht mehr Mittelpunkt meines Lebens zu dem Zeitpunkt. Da ging es eher um das Bewältigen der Therapie und ums Überleben.

Die meisten Partner:innen möchten eine emotionale Stütze für die Schwangere sein, während die Zeit auch für sie sehr aufwühlend sein kann – vor allem wenn dann noch eine Krebsdiagnose hinzukommt. Wie ist dein Partner mit der Situation umgegangen?

Das Positive bei uns war, dass wir auch vor dem Krebs sehr offen und ehrlich miteinander umgegangen sind, was unsere Gefühle betrifft und uns von daher gegenseitig schon immer eine enorme Stütze waren. Wir waren schon immer ein Team. Mit der Diagnose habe ich schon gespürt, dass mein Mann versucht, mir den Halt und die Stütze zu geben. Er war mein Fels in der Brandung. Emotional hat er sich sehr zurückgenommen, obwohl ich das nie von ihm erwartet habe. Ich habe auch immer gesagt: „Wenn dir danach ist zu weinen, oder wenn du reden möchtest, kannst du das tun.“ Aber er hat mich auf dem ganzen Weg nur positiv unterstützt und bestärkt und nie wirklich über seine Gefühle gesprochen. Er hat das nur mit sich selbst ausgemacht.

Man darf nicht unterschätzen, wie Angehörige, Partner, Familie unter dieser Diagnose leiden, weil sie auch nicht helfen können. Und es ist für sie immer schwierig, das Richtige zu sagen, weil es sie selbst nicht betrifft und das nicht so nachfühlen können. Natürlich hatte er Angst, aber er wollte nicht für sich wahrhaben, dass es schlecht ausgehen könnte, oder dass es nicht so läuft, wie die Ärzte das planen. Das hat er sich in seinen Gedanken nie in den Fokus genommen. Und dieser positive Gedanke hat mich wahnsinnig bestärkt. Dadurch, dass wir unseren großen Sohn schon hatten, hatten wir aber sowieso immer jemanden da, der uns ablenkt. Der es gar nicht zulässt, dass wir in diesem Sorgentief versinken, sondern dass wir weiterhin Mama und Papa sind.

Dadurch, dass wir unseren großen Sohn schon hatten, hatten wir aber sowieso immer jemanden da, der uns ablenkt. Der es gar nicht zulässt, dass wir in diesem Sorgentief versinken, sondern dass wir weiterhin Mama und Papa sind.

Gibt es inzwischen Momente oder Situationen, die du ganz anders oder bewusster wahrnimmst als früher? Wenn ja, welche?

Ich muss sagen, dass ich auch vor der Erkrankung, gerade in der zweiten Schwangerschaft, schon ziemlich dankbar für das war, was ich hatte. Ich war total glücklich, eine tolle Ehe zu haben, einen tollen ersten Sohn zu haben, wieder schwanger zu sein. Das, was ich hatte, habe ich wahnsinnig wertgeschätzt. Durch die Diagnose ist mir nur nochmal mehr bewusst geworden, wie wertvoll das ist. Durch das Ganze weiß ich, dass das, was wir haben, absolut nicht selbstverständlich und echt das größte Glück dieser Welt ist. Dafür bin ich einfach dankbar.

Euer erster Sohn war noch ganz klein, als du die Diagnose Brustkrebs erhalten hast. Wie seid ihr als Eltern mit ihm in dieser Situation umgegangen, was habt ihr ihm erzählt?

Für uns war es immer sehr wichtig, dass wir offen mit unseren Gefühlen umgehen. Wir haben nie Tränen versteckt. Mir war immer wichtig, dass mein Kind spürt, dass wenn Mama traurig ist, dann ist das in Ordnung. Das gehört zum Leben dazu, genauso wie ich glücklich sein kann. Trotz allem war es für uns von Vorteil, dass er erst anderthalb Jahre alt war, als die Diagnose kam und wir daher das Wort „Krebs“ nie ausgesprochen haben. Wir haben auch nie erwähnt, dass Mama todkrank ist oder solche Sachen. Er hat mit seiner kindlichen Art alles nur einfacher gemacht. Selbst zur Diagnose sind wir als Familie in die Klinik gegangen.

Als ich geweint habe und total aufgelöst war, wollte er von mir ein Kinderlied hören und „Hoppe, hoppe, Reiter“ spielen. Er hat mich angeschaut und ich musste direkt wieder lachen. Er hat sehr viel abgefangen in dieser Situation, weil ich mich einfach nie verlieren konnte. Ich glaube, Kinder spüren absolut, wenn irgendwas anders ist. Heute kann ich behaupten, dass mein Kind sich ganz normal entwickelt hat, er nicht dadurch beeinträchtigt wurde in seinem Sein und er ein ganz toller großer Junge geworden ist. Wenn meine Kinder irgendwann mal älter sind und das Thema passt, dann erzähle ich ihnen davon.

Der Alltag mit kleinen Kindern kann ganz schön turbulent sein. Wie habt ihr es geschafft, euer Familienleben und die Krebsbehandlungen unter einen Hut zu bringen? Gibt es bestimmte Angebote, die Entlastung schaffen?

Grundsätzlich würde ich immer sagen, das allergrößte „Angebot“, das man haben kann in so einer Zeit, ist dass man eine stabile Beziehung oder Partnerschaft hat. Das war für mich in dieser Zeit mein größtes „Hilfsangebot“. Gerade wenn man ein Kind unter zwölf Jahren hat, gibt es die Möglichkeit, über die Krankenkasse eine Haushaltshilfe zu beantragen. Die haben wir aber nie in Anspruch genommen. Mir fällt es immer sehr schwer, Hilfe anzunehmen. Das sollte man sich aber vielleicht doch überlegen. Wir haben hier keine Familie, also mussten wir als Team funktionieren. Das war die größte Prüfung für uns selbst und für unsere Beziehung. Mein Mann hatte zum Glück einen Arbeitgeber, der sehr verständnisvoll war und mit dem er offen darüber sprechen konnte, was bei uns zu Hause los ist. Er hat ihm dadurch auch die Möglichkeit gegeben, an Chemotherapietagen freizunehmen. Das hat uns sehr viel geholfen.

Was würdest du gerne Frauen (z. B. zum Thema Früherkennung) mit an die Hand geben? Was hättest du gerne früher gewusst?

Mir war vorher nie so bewusst, dass Brustkrebs wirklich so häufig ist und es jede achte Frau betrifft. Krebs trifft nicht immer nur die anderen, sondern man kann selbst schnell in dieser Situation stecken. Auch vor der Diagnose bin ich schon immer zum Arzt gegangen, wenn ich Veränderungen gespürt habe. Wenn ich einen Knoten in der Brust bemerkt habe, habe ich das der Frauenärztin gezeigt. Ich würde jeder Frau auch immer wieder mitgeben, nichts rauszuschieben oder Zeit verstreichen zu lassen. Es könnte Lebenszeit sein, wenn es wirklich etwas Ernstes ist. Gerade wenn Kinder im Spiel sind und man für sich eigentlich gar keinen Raum mehr hat, sollte man schauen, sich hier die Zeit zu nehmen für die Früherkennung und unter der Dusche seinen Körper und die Brust mal abzutasten. Man sollte einfach achtsamer mit sich sein.

Fällt es dir leichter auf Social Media in einem Umfeld von Betroffenen über Sorgen und Probleme zu sprechen oder kannst du das genauso gut mit Freund:innen und Familie?

Also ich muss sagen, dass ich persönlich am besten mit Betroffenen darüber sprechen kann. Da kann ich offen über jegliche Sorgen und Probleme sprechen. Ansonsten mache ich das mit niemandem. Ich merke, dass mit jedem, der selbst betroffen war, eine ganz andere Art an Gesprächen entsteht und ein ganz anderes Verständnis dafür da ist. Denn alle anderen können es einfach nicht so nachfühlen.

Es ist eben schwer für sie, auch wenn sie es versuchen. Man möchte aber auch nicht, dass sich alles nur um Krebs dreht. Deswegen ist es schön, eine Plattform zu haben, auf der ich über meine Sorgen sprechen kann. Gleichzeitig habe ich auch die Option, in meinem normalen Leben mit meinen Freunden über andere schöne Dinge zu sprechen und dem Krebs gar nicht den Raum zu geben, mein Leben zu kontrollieren. Denn ich glaube, es ist wichtig, sich nicht nur auf das Thema Krebs zu fokussieren, sondern auch zu versuchen, wieder im Leben anzukommen.

Ich glaube, es ist wichtig, sich nicht nur auf das Thema Krebs zu fokussieren, sondern auch zu versuchen, wieder im Leben anzukommen.

Das heißt, du würdest anderen Betroffenen auch dazu raten, sich den Austausch zu suchen?

Ja. Es ist toll, wenn man die Möglichkeit hat, z. B. auch in Selbsthilfegruppen. Es muss auch gar nicht über Social Media sein. Es gibt auch viele Menschen, die ich kennenlerne, die weder öffentlich noch mit den Angehörigen darüber sprechen. Sie sind umso glücklicher, wenn sie mich auf Instagram finden und sie wissen: Da kann ich meine Fragen und meine Gedanken rauslassen, weil ich gerade nicht weiß, wohin damit und mich mein Umfeld auch nicht versteht.

Nicht jeder hat eine Beziehung oder eine stabile Ehe und stößt auf Verständnis im Umfeld. Dann ist es umso besser, wenn man die Möglichkeit hat, sich auszutauschen. Wenn man wie ich ein Ventil findet, wo man seine Gefühle teilen kann und man sich verstanden fühlt. Dann hat man auch wieder mehr Platz, um im normalen Leben mit den Angehörigen über andere Themen zu sprechen und einen gesunden Ausgleich für sich zu finden.

Instagram: https://www.instagram.com/just_inked87/

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