Palliativpflege

Den Tagen mehr Leben geben

Bis an sein Lebensende zu Hause gut betreut wohnen zu können, ist für viele ein Herzenswunsch. Eine unheilbare, lebensbegrenzende oder terminale Krankheit bedeutet nicht, dass Sie an diesem Wunsch nicht festhalten können. Das Konzept der Palliativpflege unterstützt Sie dabei, Ihr verbleibendes Leben auch mit der Diagnose, ob chronisch oder akut, mit einem gewissen Maß an Autonomie leben zu können. Ein Team von Experten wird Hand in Hand mit Ihnen arbeiten, um Ihnen in dieser schwierigen Zeit zu helfen.1 Die verschiedenen Modelle der Palliativpflege ermöglichen eine ganzheitliche, würdevolle Betreuung, sie entlasten Betroffene und Angehörige und reduzieren die Angst vor Leid und Schmerzen.2 Der Blick wird auf das Wesentliche gerichtet: Ihre Lebensqualität und die Ihrer Liebsten. Wir klären auf, ob, wann und wofür Palliativpflege eine Hilfe bietet.

 

aufeinander gestapelte Steine im Fluss

Was ist Palliativpflege?

Palliativpflege beschreibt einen Ansatz zur Beratung, Begleitung und Versorgung von Patienten und deren Familien, die mit Problemen einer lebensbegrenzenden Erkrankung konfrontiert sind.3 Bei einer Krankheit im palliativen Stadium ist die Krankheit so weit fortgeschritten, dass deren Heilung nicht mehr im Vordergrund steht.4 Stattdessen geht es darum, Symptome und Schmerzen zu lindern.5 Die Lebensqualität von Betroffenen soll erhalten, wenn möglich sogar verbessert werden. Palliative Pflege denkt ganzheitlich: Sie bezieht das gesamte Umfeld des Betroffenen ein und betrachtet nicht nur die medizinische Therapie.6

Sie sollten bereits frühzeitig im Krankheitsverlauf mit Ihrem Arzt über palliative Maßnahmen für sich oder Ihren Angehörigen sprechen.7 Nutzen Sie das palliative Netzwerk mit all seinen Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen, die Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. So können Sie z.B. auch psychologische Betreuung in Anspruch nehmen.8 Die Methoden palliativer Pflege strecken sich sogar bis über den Tod hinaus. So kann das palliative Expertenteam betroffene Familien neben der Bewältigung der Krankheit in all ihren Facetten auch z.B. bei der Trauer begleiten.9


 

„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“

Cicely Saunders, Begründerin der modernen Hospizbewegung

Palliativpflege - Wie lange kann man zu Hause gut betreut wohnen?

Ein eigenständiges Leben im gewohnten Umfeld kann die Palliativpflege ermöglichen. Aber auch wenn das Expertenteam Sie fast unbemerkt in Ihrem Alltag unterstützt und ganz nach Ihren Wünschen und Bedürfnissen pflegt,10 sollten Sie sich selbst kritisch fragen:

An welchem Ort bin ich mit meiner Krankheit am besten aufgehoben?

Eine vertraute Umgebung, vertraute Menschen und vertraute Gewohnheiten sind das eine. Letztendlich geht es aber darum, Ihr Leiden zu lindern. Können Sie tatsächlich zu Hause den Schmerz frühzeitig erkennen und angemessene Maßnahmen zur Bekämpfung treffen? Wie sieht es mit emotionalen und sozialen Belastungen aus? Sind diese in Ihrem zu Hause geringer? Für die Entscheidungsfindung hilft es, sich zunächst einmal einen Überblick über die verschiedenen Methoden und Modelle der Palliativpflege zu verschaffen.

Welche Methoden nutzt die Palliativpflege?

Für einen schonungsvollen Umgang mit Ihrer Gesundheit kann Ihr Arzt mit Ihnen gemeinsam aus verschiedensten Methoden für eine bestmögliche Entlastung wählen.

Schmerzerkennung und Schmerzbekämpfung

Schmerz wird von jedem unterschiedlich empfunden.11 Sprechen Sie Ihren Arzt oder Ihr Pflegeteam auf eine effektive Schmerztherapie an! Professionelle Schmerzmanager können eine umfangreiche Erhebung Ihres Schmerzes während eines Erstgesprächs machen.12 Sie gehen auf Symptome ein sowie auf Faktoren, die den Schmerz beeinflussen, wie Wärme, Kälte oder Entspannung. Eine Zunahme des Schmerzes bedeutet nicht automatisch eine Verschlechterung der Krankheit. Lesen Sie hier auch gerne mehr über Strategien gegen den Schmerz. 

Medikamente, operative Eingriffe oder Bestrahlung

Um die Lebensqualität zu verbessern, ist ein konstanter Austausch mit Ihrem Arzt essenziell. Finden Sie gemeinsam heraus:

  • Welche Therapien (medikamentös, nicht medikamentös) wurden schon durchgeführt?
  • Waren die Therapien erfolgreich oder nicht?
  • Waren Nebenwirkungen der Grund für den Abbruch der Therapie?

Vor allem belastende Zustände, wie Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Beschwerden bei der Atmung oder Störungen des Nervensystems können mit Medikamenten behandelt werden.13 Aber auch operative Eingriffe oder Bestrahlung können die Lebensqualität unter Umständen erhöhen.

Entlastende Punktionen oder physiotherapeutische Maßnahmen

Auch ein Physiotherapeut kann Ihre Symptome lindern, z.B. mithilfe von Atemtherapien oder Massagen. Falls Sie aufgrund von Flüssigkeitsansammlungen im Bauch oder Brustraum leiden, können zum Beispiel Punktionen entlastend wirken.

Wie Sie sehen, sind Sie, ob selbst betroffen oder Pflegender, nicht allein! Professionelle Teams stehen Ihnen unterstützend zur Seite!

 

Feldweg bei Sonnenuntergang

Welche Möglichkeiten der palliativen Versorgung gibt es?

Weil es in der Palliativmedizin um den Patienten geht und jeder Patient einzigartig ist, stehen auch viele verschiedene Möglichkeiten der Entlastung zur Auswahl. Finden Sie mit allen Beteiligten heraus, welches der folgenden Modelle oder welche Kombination ein möglichst selbstbestimmtes und aktives Leben erlaubt und die Familie bestmöglich entlastet. Informieren Sie sich bei Ihrer Krankenversicherung über Einrichtungen in Ihrer näheren Umgebung, die Hilfe speziell nach Ihren Wünschen erbringen können.

Häusliche Versorgung durch pflegende Angehörige

Der Alltag ist durch die Krankheit eingeschränkt, aber dennoch bleibt bei vielen der Wunsch bestehen, zu Hause versorgt zu werden. Wenn Ihre Familie, Angehörige und/oder Freunde bei der Pflege mithelfen, kann die Umsetzung gelingen.14

Voraussetzungen für häusliche Pflege:

  • Können alle Behandlungen durch einen Hausarzt durchgeführt werden? Werden zusätzlich Onkologen, Schmerztherapeuten oder Palliativmediziner benötigt?
  • Können ambulante Pflegedienste oder Ärzte medizinische Leistungen bei Ihnen zu Hause erbringen? Können sie Injektionen oder Medikamente verabreichen?

  • Sind regelmäßige Fahrten zur Chemotherapie etc. nötig? Wer kann Ihnen helfen, diese wahrzunehmen?

  • Können Sie und Ihre Familie auf psychische und soziale Betreuung zurückgreifen, falls benötigt?

  • Sind das Pflegezimmer, Bad und Toilette rollstuhlgerecht und barrierefrei zugänglich?

  • Sind Pflegehilfsmittel, wie z.B. das Krankenbett, Gehhilfen, Duschhocker etc. vor Ort? Falls nicht lassen Sie sich diese von Ihrem Hausarzt verordnen.

  • Für eventuelle Zuzahlungen sprechen Sie am besten vorab mit Ihrer Pflegekasse.

Ambulante Versorgung durch Pflegedienste

Falls die Voraussetzungen bei Ihnen erfüllt sind, können Sie gemeinsam entscheiden, ob Pflegedienste als zusätzliche Unterstützung eingebunden werden sollen. Diese haben oft speziell ausgebildete Palliativpfleger. Selbstverständlich können Sie die Unterstützung auch für einen begrenzten Zeitraum in Anspruch nehmen, um pflegende Angehörige zu dieser Zeit besonders zu entlasten.

Spezialisierte ambulante Versorgung

Falls die Krankheit den Alltag zunehmend komplizierter macht und die allgemeine ambulante palliative Versorgung durch den Facharzt nicht mehr gewährleistet werden kann, hat das nicht zwangsläufig eine stationäre Behandlung zur Folge, wenn Sie das nicht wollen. In diesem Fall kann Ihnen der Arzt eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) verordnen. Diese wird von speziell ausgebildeten Teams erbracht, die in engen Kontakt mit den beteiligten Ärzten stehen und eine individuelle medizinische Behandlung 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche erbringen.15 Gemeinsam werden mögliche Akutsituationen sowie der Behandlungsplan besprochen, erforderliche Medikamente sowie Hilfsmittel besorgt. Aber auch Themen wie Patientenverfügungen oder Vorsorgevollmachten werden angegangen. Ob und in welchem Maße diese Versorgungsart bei Ihnen oder einem Angehörigen durchgeführt werden kann, entscheiden Sie gemeinsam mit Ihrem behandelnden Arzt.

Pflegeheime und Palliativstationen

Falls die Voraussetzungen für eine häusliche Versorgung bei Ihnen nicht gegeben sind, bietet Ihnen womöglich eine stationäre Betreuung die bestmögliche Entlastung. Sie kann auch nur für eine gewisse Zeit in Anspruch genommen werden, z.B. um die räumlichen Voraussetzungen für eine häusliche Versorgung zu schaffen.16 Hier empfiehlt sich u.a. die Kurzzeitpflege, die i.d.R. bis auf 4 Wochen begrenzt ist, und in einem Pflegeheim erfolgt. Oft kann aber auch schon die Tages- oder Nachtpflege in einer speziellen Einrichtung die gewünschte Erholung bringen.

Bei starkem Leiden bieten Palliativstationen eine Hilfe für Betroffene. Die Patienten werden nicht nur intensiv behandelt, sie können auch viele psychosoziale Angebote in Anspruch nehmen. Erst wenn die Symptome abgeschwächt sind und der Zustand stabil ist, erfolgt die Entlassung nach Hause 

Worin unterscheiden sich Palliativ- und Hospizversorgung?

Ein Hospiz ist eine Einrichtung für Menschen mit unheilbaren Krankheiten in ihrer letzten Lebensphase.17 Im Unterschied zur Palliativversorgung ist diese Zeit durchschnittlich auf wenige Monate begrenzt.18 Eine Hospizversorgung kann für Sie die richtige Wahl sein, wenn der Gesundheitszustand keiner intensiven Behandlung bedarf und eine häusliche palliative Versorgung nicht problemlos erbracht werden kann.19 Überwiegend ehrenamtliche Mitarbeiter begleiten Schwerstkranke würdevoll bis zum Tod, verbessern ihre Lebensqualität und orientieren sich vollkommen an individuellen Bedürfnissen und Symptomen. Dafür arbeiten sie eng mit Pflegediensten und palliativmedizinischen Ärzten zusammen.20 Rund 1.500 ambulante Hospizdienste und 200 stationäre Einrichtungen in Deutschland, liebevoll eingerichtet mit Fokus auf Zusammenhalt und Vertrauen, können die letzten Momente des Lebens so angenehm wie möglich gestalten.

Wer trägt die Kosten für die palliative Versorgung?

Seit 2007 sind Krankenkassen verpflichtet mindestens 90% der Kosten zu übernehmen.21 Dies ist für die spezialisierte, ambulante Palliativversorgung gesetzlich verankert.22 Das bedeutet, dass Sie für sich oder Betroffene palliative Versorgung durch ambulante oder stationäre Dienste nahezu kostenfrei in Anspruch nehmen können. Um alle Optionen optimal abwägen zu können, haben Sie auch Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung rund um die Themen Hospiz- und Palliativversorgung. Mit den Liebsten in der Nähe gelingt es einfacher „den Tagen mehr Leben zu geben“. Daher können sich pflegende Personen für die Begleitung eines Angehörigen in der letzten Lebensphase für drei Monate von der Arbeit freistellen lassen.23 Voraussetzung hierfür ist jedoch die Verwandtschaft bis zum zweiten Grad, worunter Eltern, Kinder, Großeltern, Enkelkinder und Geschwister fallen. Auch wenn es sich hierbei um eine unbezahlte Freistellung handelt, kann es eine Möglichkeit sein, sich in Ruhe von einem vertrauten Menschen zu verabschieden. Wenn es finanziell schwierig ist, diese Auszeit zu nehmen, bestehen viele Möglichkeiten, um den Lohnausfall auszugleichen. So kann z.B. ein zinsloses Darlehen Hilfe bieten, das pflegende Angehörige in Anspruch nehmen können.

Offen über die Krankheit mit all ihren Facetten zu sprechen und die Scheu überwinden Hilfe anzunehmen, kann wertvolle Momente schenken und die verbleibende, gemeinsame Zeit lebenswert machen. Lesen Sie hier gerne weiter, wie das am besten gelingt.

 

Mann und Frau,die sich an den Händen halten

Hilfreiche Links und Anlaufstellen

Ansprechpartner vor Ort können auch über den Kliniksozialdienst, Palliativstationen, Pflegestützpunkte und die behandelnden Ärzte in Erfahrung gebracht werden.

 

 

  1. https://www.springerpflege.de/palliativpflege/palliative-pflege/palliative-care-den-tagen-mehr-leben-geben/15077464, zuletzt abgerufen am 08.08.2019.
  2. Vgl. hierzu und im Folgenden: https://www.promedicaplus.de/blog/artikel-palliativpflege/, zuletzt abgerufen am 22.08.2019.
  3. https://www.who.int/cancer/palliative/definition/en/, zuletzt abgerufen am 16.09.2019.
  4. https://www.ukgm.de/ugm_2/deu/ugi_hon/15574.html, zuletzt abgerufen am 08.08.2019.
  5. Vgl. hierzu und im Folgenden: https://www.promedicaplus.de/blog/artikel-palliativpflege/, zuletzt abgerufen am 08.08.2019.
  6. https://www.vdek.com/presse/glossar_gesundheitswesen/palliativ-versorgung.html, zuletzt abgerufen am 22.08.2019.
  7. https://www.springerpflege.de/palliativpflege/palliative-pflege/palliative-care-den-tagen-mehr-leben-geben/15077464, zuletzt abgerufen am 08.08.2019.
  8. https://www.promedicaplus.de/blog/artikel-palliativpflege/, zuletzt abgerufen am 22.08.2019.
  9. https://www.who.int/cancer/palliative/definition/en/, zuletzt abgerufen am: 08.08.2019.
  10. https://www.promedicaplus.de/blog/artikel-palliativpflege/, zuletzt abgerufen am 22.08.2019.
  11. https://www.palliative-care-kompakt.de/beratung/pm/patienten-ein-schmerzfreies-sterben-ermoeglichen.php?gclid=EAIaIQobChMIxc6ayKPQ4wIVlOF3Ch07vQjmEAAYASAAEgLiU_D_BwE, zuletzt abgerufen am 08.08.2019.
  12. Vgl. hierzu und im Folgenden: https://www.bibliomed-pflege.de/zeitschriften/artikeldetailseite-ohne-heftzuweisung/29543-schmerzmanagement-was-pflegende-wissen-muessen/, zuletzt abgerufen am 08.08.2019.
  13. Vgl. hierzu und im Folgenden: https://www.krebsinformationsdienst.de/wegweiser/iblatt/iblatt-palliative-versorgung.pdf, zuletzt aufgerufen am 08.08.2019.
  14. Vgl. hierzu und im Folgenden: https://www.krebsinformationsdienst.de/wegweiser/iblatt/iblatt-palliative-versorgung.pdf, zuletzt abgerufen am 12.08.2019.
  15. Vgl. hierzu und im Folgenden: http://www.hospiznetz.de/index.php?id=74, zuletzt abgerufen am 12.08.2019.
  16. Vgl. hierzu und im Folgenden: https://www.krebsinformationsdienst.de/wegweiser/iblatt/iblatt-palliative-versorgung.pdf, zuletzt abgerufen am 12.08.2019.
  17. https://www.vdek.com/presse/glossar_gesundheitswesen/hospiz.html, zuletzt abgerufen am 22.08.2019.
  18. Vgl. hierzu und im Folgenden: https://www.springerpflege.de/palliativpflege/palliative-pflege/palliativpflege-ambulant-und-stationaer/15072644, zuletzt abgerufen am 12.08.2019.
  19. https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/hospiz_und_palliativversorgung/stat_hospizleistung/stat_hospiz/stat_hospizversorgung.jsp, zuletzt abgerufen am 12.08.2019.
  20. Vgl. hierzu und im Folgenden: https://www.dgpalliativmedizin.de/neuigkeiten/informationen-fuer-patienten-und-angehoerige.html, zuletzt abgerufen am 12.08.2019.
  21. https://www.krebsratgeber.de/artikel/wer-uebernimmt-die-kosten-fuer-die-palliativpflege, zuletzt abgerufen am 08.08.2019.
  22. Vgl. hierzu und im Folgenden https://www.ukgm.de/ugm_2/deu/ugi_hon/15574.html, zuletzt abgerufen am 08.08.2019.
  23. Vgl. hierzu und im Folgenden: https://www.promedicaplus.de/blog/artikel-palliativpflege/#gref, zuletzt abgerufen am 13.08.2019.

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