Tagebuch schreiben zur Unterstützung bei Krebs

Die Diagnose Kreis ist für viele Betroffene schwer zu verkraften. Oft fällt es in dieser Situation nicht leicht, mit Sorgen und Ängsten umzugehen und mit Familie und Freunden darüber sprechen. Angehörige mit ins Boot zu holen, obwohl man diese eigentlich schützen und behutsam mit der Krankheit vertraut machen möchte, kann eine zusätzliche Bürde darstellen. Die eigenen Sorgen einem nahen Vertrauten mitzuteilen, verspricht jedoch letztendlich Erleichterung. Mit Emotionen und Unsicherheiten ganz allein fertig zu werden, ist keine Lösung. Einige Mediziner und Krebspatienten raten daher, die Gefühle in einem Tagebuch aufzuschreiben. Erfahren Sie hier, wie das helfen kann und wie Sie gleich damit starten können.

Eine männliche Hand, die in ein Buch schreibt

Motivation: Warum sollten Sie nach einer Krebsdiagnose ein Tagebuch führen?

Traumatische Erlebnisse zu Papier zu bringen kann helfen, diese besser zu verstehen. Der Urvater der Tagebuchforschung, James Pennebaker, Professor für Psychologie an der University of Texas (USA), ist ein Verfechter dieses Ansatzes. In den 1980er-Jahren entwickelte er das sogenannte „Expressive Writing“ (zu Deutsch: aussagekräftiges Schreiben). Dabei wird an circa drei bis vier aufeinanderfolgenden Tage für mindestens 15 Minuten über ein belastendes Ereignis geschrieben. Studien zufolge kann diese einfache Übung eine Verbesserung der körperlichen Gesundheit und der Arbeitsleistung bewirken.1

Auch Professor Beth Baugmann DuPree, praktizierende Brustkrebschirurgin und Lehrbeauftragte für Chirurgie an der University of Pennsylvania (USA), ist von den positiven Auswirkungen des Schreibens zur Bewältigung von traumatischen Ereignissen überzeugt und empfiehlt ihren Brustkrebspatientinnen, ein Krebstagebuch zu führen:2

„Das Niederschreiben der eigenen Gefühle hilft den Patienten, Stress abzubauen, Ziele für sich zu formulieren und kann dem Leben eine neue Perspektive geben.“

Professor Beth Baughman DuPree, Pennsylvania (USA)

Zwar haben noch nicht viele Studien die Auswirkungen des Schreibens auf Krebspatienten untersucht. Bisherige Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass das regelmäßige „Herausschreiben“ von Emotionen sowohl negative körperliche Symptome als auch die Anzahl der krebsbedingten Arztbesuche reduzieren könnte.3

Es lohnt sich also, die Wirkung des Schreibens genauer zu betrachten. 

Wie kann das Tagebuchschreiben Krebspatienten helfen?

Das Schreiben eines Tagebuchs kann Ihnen als Patient in mehrfacher Hinsicht nützen:

  • Belastende Situationen besser verstehen: Wenn Sie Ihre Gefühle und Gedanken aufschreiben, können Sie sich daran erinnern, wie Sie sich in diesem schwierigen Moment gefühlt haben. Dies ist ein Anlass, das Ereignis selbst zu visualisieren und ein klareres Verständnis für Ihre emotionale Reaktion zu bekommen. Dies wiederum kann Ihnen helfen, ähnliche Situationen in der Zukunft mit mehr Selbstvertrauen anzugehen.4
  • Lösungen leichter finden: Sind die eigenen Gedanken erst einmal sortiert, wirken Probleme in der Regel weniger überwältigend. Entscheidungen können leichter getroffen werden.
  • Gefühlen Raum geben: Wer unangenehme Gefühle verdrängt, gibt ihnen oft noch mehr Kraft und Energie. Wut und Frustration können dann nur noch schwer zu bewältigen sein, was sich negativ auf das Immunsystem des Körpers auswirken kann.5 Gerade während einer Krebserkrankung ist es wichtig, gut auf seinen Körper und Geist aufzupassen. Das Schreiben eines Tagebuchs bietet die Möglichkeit, die Realität mit all ihren schönen, aber auch herausfordernden Aspekten anzunehmen.
  • Selbstreflexion stärken: Sich Belastungen von der Seele zu reden, kann Ihnen helfen, sich der Realität Ihrer Probleme zu stellen und ehrlich und wahrhaftig zu sich selbst zu bleiben. Das kann die Fokussierung auf das eigene Ich und die Selbstreflexion stärken.6
Eine Frau, die am Strand entlang im Wasser geht

Welche Tagebuchart für Krebspatienten?

Tagebuch ist nicht gleich Tagebuch. Es gibt verschiedene Wege, um täglich die Gedanken festzuhalten.7 Entscheiden Sie selbst, welcher der passende ist, um mit Ihrem Krebs umzugehen:

  • Das Tagebuch im klassischen Sinne: In der Regel ist es ein Notizbuch – gerne ausgewählt im Lieblingsdesign –, in dem man seinen Gedanken bestenfalls täglich freien Lauf lässt.
  • Das Dankbarkeits-Tagebuch: Hier hinein schreibt der Nutzer all das, für das er dankbar ist. Das lenkt den Blick auf die kleinen, wertvollen Dinge des Lebens und kann so Fokus und Stimmung heben. Studien zufolge kann praktizierte Dankbarkeit und das Aufzeichnen von Erlebnissen, für die man dankbar ist, das Wohlbefinden verbessern.8 Ein solches Krebstagebuch hilft nach einer Diagnose einigen Betroffenen dabei, Mut zu schöpfen.
  • Das Kalendertagebuch: Der eigene Kalender kann problemlos in ein Tagebuch umgewandelt werden, sofern er genügend Platz für Notizen bietet. Durch die vorgegebene Struktur ist dieses Format besonders für ungeübte Tagebuchschreiber geeignet.
  • Das Ernährungs- oder Schmerztagebuch:Mit einem Ernährungstagebuch können Krebspatienten unter anderem herausfinden, welche Lebensmittel ihren Appetit anregen. In diese Art von Tagebuch schreibt man all das, was man gegessen und getrunken hat, zu welcher Tageszeit und ob diese Lebensmittel gut vertragen wurden oder Beschwerden verursacht haben. Das Schmerztagebuch ermöglicht Krebspatienten und ihrem Arzt, Fortschritt und Erfolg einer Schmerzbehandlung zu beurteilen. Ob es nun die Medikamenteinnahme, die Schmerzstärke oder das allgemeine Wohlbefinden ist – täglich ausgefüllt kann es helfen, Klarheit zu bringen und womöglich die Behandlung zu verbessern.
  • Das digitale Tagebuch:Wenn Sie lieber mit Tastatur schreiben, können Sie Ihr Tagebuch natürlich auch auf dem PC, Tablet oder Handy führen. Vorteile bei diesem Format sind, dass Sie immer auf Ihr Smartphone zugreifen können, wenn Sie das Bedürfnis haben etwas aufzuschreiben, und Ihre Erlebnisse schnell niedergeschrieben sind.

Wie man mit dem Schreiben eines Krebstagebuch beginnt

Es ist nicht immer einfach, mit etwas Neuem zu beginnen, aber das muss nicht für das Tagebuchschreiben gelten. Mit der Auswahl des für Sie passenden Formats und der richtigen Einstellung zum Schreiben, können Sie direkt ausprobieren ob Ihnen das Tagebuchschreiben gefällt. Wichtig ist: einfach erstmal beginnen. Finden Sie dazu einen ruhigen Ort und nehmen Sie sich ganz bewusst für mindestens 15 Minuten Zeit, in Ihre Gedanken und Gefühle hineinzuhorchen. Schreiben Sie so, wie Sie sich wohlfühlen, ohne Unterbrechung. Es gibt keine Regeln. Rechtschreibung, Grammatik oder Stil haben dabei keine Priorität.9

Schreiben Sie zum Beispiel über Glücksmomente oder schöne Erlebnisse, aber geben Sie auch Wut, Trauer und Emotionen Platz. Halten Sie Ideen oder Menschen fest, die Sie inspirieren oder bewegen. Bringen Sie Ihre Herzenswünsche und Lebensträume zu Papier. Sie haben ein konkretes Ziel in Bezug auf Ihre Gesundheit? Das Aufschreiben kann Ihnen helfen, sich des Zieles bewusst zu werden und an Ihm Ziel dranzubleiben. Spüren Sie Mut nach einem Gespräch mit einem Freund oder nach dem Lesen eines tollen Textes? Schreiben Sie auch das in ihr Krebstagebuch. Sie können Ihrem Tagebuch natürlich außerdem inspirierende Zitate, Bilder und Erinnerungsstücke beifügen.

Tipps bei fehlender Inspiration

Wenn Ihnen der Einstieg ins Schreiben schwerer fällt als gedacht, haben wir hier ein paar Tipps für Sie:

  • Machen Sie sich klar, weshalb Sie Tagebuch schreiben möchten. Auf dieser Basis können Sie bestimmte Themenfelder erstellen. Das können sein: Zukunftspläne; Dinge, die sie in Angriff nehmen, wenn Sie wieder gesund sind; Ihre täglichen Glücksmomente; Tätigkeiten, die Ihr Wohlbefinden steigern etc. Die Themenliste können Sie in Ihr Tagebuch legen und bei Schreibblockaden nutzen.
  • Fragen Sie sich: Wie geht es mir gerade? Schreiben Sie in ihr Tagebuch, warum es Ihnen gut oder schlecht geht und wie es für Sie dazu kommen konnte.
  • Sie haben etwas sehr Schmerzhaftes erlebt? Darüber zu schreiben verletzt zu sehr? Versuchen Sie aus den Augen einer dritten Person zu schreiben. Die dritte Person bringt die notwendige Distanz und stärkt zudem den inneren Beobachter in Ihnen.10
  • Vorgegebene Tagebuchvorlagen zum Ausfüllen können bei Schreibblockaden ebenfalls nützlich sein.
  • Etablieren Sie ein festes Ritual zum Schreiben:11
    • Lassen Sie Ihre Gedanken zum Beispiel bei einer Tasse Kaffee oder Tee freien Lauf und schalten Sie Ihre Lieblingsmusik ein.
    • Finden Sie einen festen Zeitpunkt zum Tagebuch schreiben und integrieren Sie das Ritual fest in ihren Tagesablauf. Der Morgen eignet sich meist gut, um Pläne festzulegen oder sich Ziele vor Augen zu führen. Den Abend kann man gut nutzen, um seinen Tag Revue passieren zu lassen und Erinnerungen festzuhalten.

Machen Sie sich bewusst, dass Sie nur für sich schreiben und niemand anderes in Ihr Tagebuch schauen wird. Das Schreiben soll Ihnen helfen, mit Ihrer Krebsdiagnose umzugehen und Sie auf Ihrem Weg zu unterstützen. Dieser Ratschlag nimmt oft den Druck und bietet Zugang zu den eigenen Gefühlen. Hier gibt es weitere Schreibtipps und Übungen.

Ergebnisse Krebstagebuch: gesetzte Ziele erreichen und Mut schöpfen

Das Schreiben ist mittlerweile fester Bestandteil Ihres Lebens geworden und die Seiten in Ihrem Tagebuch füllen sich? Dann nehmen Sie sich auch ganz bewusst Zeit zum Nachlesen all der Gedanken und Erinnerungen, die Sie Ihrem treuen Begleiter anvertraut haben. Beim Stöbern durch früher geschriebene Zeilen wird oft ersichtlich, wie weit Sie schon gekommen sind und wie sich Ihr Wohlbefinden womöglich schon verbessert hat. Das Tagebuch ermöglicht Ihnen einen direkten Vergleich: Wie haben Sie sich vor einem Monat gefühlt und wie fühlen Sie sich jetzt? Falls Sie sich persönliche Ziele gesetzt haben, können Sie beim Nachlesen herausfinden, inwieweit Sie diese schon realisiert haben. Aus jedem kleinen Fortschritt können Sie Mut schöpfen. Die Perspektive haben Sie dank Ihres Tagebuchs immer vor Augen.12

Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen über Ihren Krebs

Wichtig ist, dass Sie das Schreiben nicht als Ausrede dafür nutzen,um die Dinge nicht selbst in die Hände zu nehmen. Es sollte nur als Werkzeug verwendet werden, um sich selbst besser zu verstehen und seine Ziele zu erreichen.13 Sobald Sie sich mehr darüber im Klaren sind, wie Sie fühlen, können Sie sich Ihrer Familie und Ihren Freunden besser mitteilen und konkrete Wünsche äußern. Denn wenn Sie versuchen, allein mit der Diagnose umzugehen, ohne mit jemandem darüber zu sprechen, wird es für Ihre Familie und Freunde schwer sein zu wissen, wie sie Sie unterstützen können. Letztendlich können Sie entscheiden, was Sie preisgeben möchten und an wen. Krebs ist eine sehr individuelle Erfahrung und jeder muss seinen eigenen Weg finden, wie er/sie am besten damit umgehen kann. Tagebuchschreiben kann womöglich für viele eine Stütze sein, für andere ist es wiederrum nicht das richtige. Finden Sie am besten selbst heraus, ob Sie daraus Kraft und Energie ziehen können oder nicht. 

  1. https://liberalarts.utexas.edu/psychology/faculty/pennebak#writing-health, zuletzt abgerufen am 18.01.21.
  2. https://www.thehealingconsciousness.com/beth-dupree-founder/, zuletzt abgerufen am 18.01.21.
  3. https://www.breastcancer.org/treatment/comp_med/types/journaling, zuletzt abgerufen am 18.01.21.
  4. Vgl. hierzu und im Folgenden: Barclay, L. J., & Skarlicki, D. P. (2009). Healing the wounds of organizational injustice: Examining the benefits of expressive writing. Journal of Applied Psychology, 94(2), 511–523. https://doi.org/10.1037/a0013451
  5. https://www.oberbergkliniken.de/artikel/die-macht-von-unterdrueckten-gefuehlen-wie-sich-innere-wut-auf-die-psychische-gesundheit-auswirken-kann, zuletzt abgerufen am 19.01.21.
  6. https://www.oberbergkliniken.de/artikel/therapietagebuch-ratgeber-die-heilsame-wirkung-des-schreibens, zuletzt abgerufen am 19.01.21.
  7. https://selpers.com/lektion/tagebuch-schreiben-bei-krebs-welche-formate-von-tagebuechern-gibt-es/, zuletzt abgerufen am 19.01.21.
  8. https://www.dgpp-online.de/home/führende-forscher/robert-emmons/, zuletzt abgerufen am 19.01.21.
  9. Pennebaker, Smyth (2016). Opening up by Writing it Down, New York.
  10. https://www.contentman.de/storyfication/tagebuch-schreiben/, zuletzt abgerufen am 19.01.21.
  11. https://selpers.com/lektion/tagebuch-schreiben-bei-krebs-wie-fuelle-ich-mein-tagebuch-mit-leben/, zuletzt abgerufen am 20.01.21.
  12. https://www.breastcancer.org/treatment/comp_med/types/journaling, zuletzt abgerufen am 20.01.21.
  13. https://schreibenwirkt.de/expressives-schreiben/, zuletzt abgerufen am 20.01.21.

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